Im Jahr 2016 steht für den Deutschen Jagdverband das Rebhuhn (Perdix perdix) im Mittelpunkt. Damit wählen die Jäger eine weitere Niederwildart, um auf die extrem kritische Lage für Vogelarten in der Agrarlandschaft aufmerksam zu machen. Laut einer Datensammlung des European Bird Census Council ist der Bestand des Rebhuhns europaweit seit 1980 um 94 Prozent zurückgegangen. Das macht den Hühnervogel zum traurigen Rekordhalter und zum Schutzobjekt Nummer Eins der Jäger in ihren Revieren. Grund für den Rückgang sehen Forscher vor allem im Lebensraumverlust, da das Rebhuhn extensiv genutzte Flächen mit guter Deckung bevorzugt. Damit geht auch ein Mangel an Insekten einher sowie eine gestiegene Population von Prädatoren, maßgeblich des Fuchses.
Durch das Anlegen von rebhuhnfreundlichen Blühstreifen ist es Göttinger Forschern gelungen, den Ausgangsbestand der Rebhühner im Projektgebiet des Landkreises zu halten und lokal auch erheblich anzuheben. „Während im restlichen Niedersachsen die Bestände mindestens um die Hälfte eingebrochen sind, ist das sicherlich ein Erfolg“, sagt Dr. Eckhard Gottschalk vom Institut für Zoologie und Anthropologie an der Uni Göttingen. „Aber es fehlt der Lebensraum.“ Etwa 0,8 Prozent der Landwirtschaftsfläche des Projektes besteht mittlerweile aus Blühstreifen. Um ein Wachstum der Population zu erzielen, müsse man die Fläche mindestens vervierfachen, so der Forscher. Eine solche Maßnahme brächte zudem viele Vorteile für andere Arten der Feldflur. Die Streifen aus Kräutern und Gräsern bieten Behausung für Insekten, Deckung für Vögel, Hase und Reh und somit in der ausgeräumten Landschaft eine gute Überwinterungsmöglichkeit für viele Wildtiere.
In anderen Bundesländern wie etwa Schleswig-Holstein, Sachsen und Thüringen laufen Schutzprojekte der Jägerschaft auf Hochtouren. Weitere Landesjagdverbände (LJV) machen jetzt mobil: In Rheinland-Pfalz wird 2016 das Monitoring forciert und finanziell durch den LJV und das Ministerium unterstützt. „Ziel ist es, die Rebhuhnbestände mit verlässlichen wissenschaftlichen Methoden in etwa 1.000 Revieren zu erheben und zudem die Lebensgrundlage für das Rebhuhn zu sichern“, erklärt Christoph Hildebrandt, Wildmeister des LJV und akademischer Jagdwirt. Doch das können die Jäger nicht allein. Die Bestandsentwicklung wird im Wesentlichen durch den Dreiklang „Lebensraum – Klima – Prädation“ beeinflusst. Jäger können den Prädationsdruck mindern, indem sie Raubwild reduzieren, nicht zuletzt auch mit Einsatz der Fangjagd. Aber nur in Kooperation mit den Landwirten können sie den Lebensraum gestalten.
Forscher und Jäger sind sich einig, dass hierfür die Politik umgehend sensibilisiert werden muss. „Wir brauchen geeignete Agrarumweltmaßnahmen mit attraktivem Ausgleich für den Landwirt“, sagt Gottschalk. Eine Chance besteht laut DJV in der Initiative „Energie aus Wildpflanzen“ (lebensraum-feldflur.de): Streifen mit Wildkräutern lockern Raps-, Mais- und Getreidefelder auf. Sie bieten eine Vielfalt an Nahrung und Lebensraum für gefährdete Tierarten der Feldflur und können zudem für die Biogasproduktion eingesetzt werden. Nach der Ernte etwa im August kann auf den Stoppelflächen zudem das Wildschwein effektiv bejagt werden. Es gehört zu den Gewinnern der Kulturlandschaft und verlegt sein Wohnzimmer in den Sommermonaten zunehmend in die Mais- und Rapsfelder.
„Wollen wir die Artenvielfalt der Feldflur erhalten, müssen wir jetzt den Kurs korrigieren, den wir in der Energiepolitik eingeschlagen haben“, sagt Landwirt und DJV-Präsidiumsmitglied Dr. Hans-Heinrich Jordan, zuständig für Niederwild. „Wir brauchen mehr ökologische Trittsteine in der Fläche und die müssen für den Landwirt wirtschaftlich sein. Produktionsintegrierte Ansätze etwa „Energie aus Wildpflanzen“ bieten genau das.“ Die Zukunft sieht Jordan in regenerativen Energiequellen mit Kopplung an produktionsintegrierte Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie flexible und gut finanzierte Agrarumweltmaßnahmen.
Das Rebhuhn im Kurz-Steckbrief
Nach den Eiszeiten aus den Steppengebieten Asiens eingewandert, ist das Rebhuhn seit dem Beginn des Ackerbaus in Europa ein fester Bestandteil unserer Kulturlandschaft. Es ist etwa taubengroß und wird bis zu 450 Gramm schwer. Hahn und Henne sind ähnlich gefärbt: Rücken und Flügeldecken sind graubraun, Kopf und Hals sind rostrot, der Bauch weist oft einen dunkelbraunen Fleck auf. Als typische Art der Offenlandschaft, meidet es den Wald und verbringt die Nacht in Deckungen am Boden der Feldflur. Das Rebhuhn liebt unkrautreiche Feldraine und Wegränder, Altgrasstreifen, Brachen und niedriges Gebüsch. Dort findet es Knospen, Triebe, Pflanzensamen aber auch Insekten, vor allem Ameisennester. Letztere sind besonders zur Aufzucht der Küken lebensnotwendig, da sie in den ersten Wochen mehr als 90 Prozent tierisches Eiweiß benötigen. Durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten findet das Rebhuhn immer weniger reich strukturierten Lebensraum. Der Bestand des Rebhuhns in Deutschland wird auf etwa 50.000 Brutpaare geschätzt.
Mehr Informationen in den Tiersteckbriefen: http://www.jagdverband.de/content/daten-und-fakten
Quelle: DJV