„Der Wolf im Jagdrecht“. Das ist eine der Schlagzeilen, die mehrfach in den Medien war. Hierbei geht es darum, dass das Land Niedersachsen den Wolf ins Landesjagdgesetz aufnehmen möchte, genauso wie das bereits vor etlichen Jahren das Bundesland Sachsen getan hat.
Niedersachsen hat das jetzt auf den Weg gebracht. Noch ist die Änderung des Jagdgesetzes nicht beschlossen obwohl es absehbar ist, da beide Regierungsfraktionen in Niedersachsen dafür sind und sie eine entsprechende Mehrheit haben.
Die rechtliche Situation um die Wölfe ist etwas unübersichtlich. Hier greifen mehrere Rechtskreise ineinander. Das ist zum einen die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der europäischen Union. Dann gibt es das Bundesnaturschutzgesetz, die niedersächsische Wolfsverordnung und das Landesjagdgesetz. Auch viele Juristen, etliche Politiker und Jäger sind nicht mit den Abgrenzungen und Überschneidungen dieser einzelnen Rechtskreise vertraut. In der öffentlichen Debatte wird viel durcheinander geworfen. Ich habe manchmal den Eindruck das passiert absichtlich, zumindest wird die verwirrende Rechtssituation nach Bedarf ausgelegt. Ich will also versuchen die Dinge voneinander abzugrenzen und klarzustellen. Dabei möglichst ohne juristisches Kauderwelsch.
…Wenn unterschiedliche Ansichten aufeinander treffen, hilft gelegentlich ein Blick ins Gesetz. Das ist zwar auch nicht immer eindeutig, bekanntlich erhält man von zwei Juristen normalerweise mindestens drei rechtliche Einschätzungen, aber einen Versuch ist es wert.
Rechtlicher Rahmen: Europäische Union > Deutschland >Niedersachsen.
1. Mit Verabschiedung der FFH-RL (Fauna Flora Habitat Richtlinie) der EU von 1992 wurde die Berner Konvention von 1979 von der völkerrechtlichen Ebene in europäisches Recht umgesetzt. EU-Richtlinien müssen, anders als EU-Verordnungen, in nationales Recht umgesetzt werden. In beiden Dokumenten genießt der Wolf den Status der streng geschützten bzw. prioritären Art (Bern Anhang II, FFH-RL Anhang II und IV – mit Ausnahmen).
Bei der Umsetzung nach der FFH-RL in nationales Recht konnte jedes Land einen gewissen Spielraum ausnutzen. Mitgliedstaaten, die bei Verabschiedung der Richtlinie oder Beitritt zur EU über nennenswerte Wolfsvorkommen verfügten, stuften den Wolf in Anhang V ein. Dort kann der Wolf unter strengen Regeln bejagt werden, so u.a. Polen, Slowakei, Baltikum. Länder wie Deutschland, seit über 200 Jahren ohne reproduzierende Wolfsvorkommen, hatten keinen Anlass, ihn nicht unter den höchsten Schutzstatus des Anhangs IV zu stellen. Von einem einheitlichen Schutzstatus für alle EU-Ländern kann also nicht entfernt die Rede sein.
Die heutige „Erfolgsgeschichte“ des Wolfes in Mitteleuropa war vor der Jahrtausendwende nicht vorstellbar. Dabei bewies die IUCN (International Union for Conservation of Nature, die mit den Roten Listen) Weitsicht, als sie das europäische Wolfsvorkommen insgesamt 2004 mit dem Status „Least Concern“ (LC) als nicht gefährdet einstufte.
Die Umstufung einer Art von Anhang IV nach V kann nach Art. 19 FFH-RL kann allerdings nur auf Vorschlag der EU-Kommission (EUKom) einstimmig erfolgen. Das EU-Parlament hat dazu, wie auch sonst, kein Initiativrecht.
Kritik:
Die Umsetzung der FFH RL in nationales Recht hat die mögliche Entnahme von Wölfen mit so hohem Hürden versehen, dass es in der Praxis kaum möglich war, Wölfe schnell und rechtskonform zu entnehmen. Die früheren Klagen diverser Organisationen gegen Abschussverfügungen in Niedersachsen sind Beleg genug.
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2. Deutschland vollzog die Umsetzung in nationales Recht durch Aufnahme in das Bundesnaturschutzgesetz BNatSchG. Dabei wurden allerdings einige wesentliche Elemente der FFH-RL nicht übernommen, so u.a. Art 16 (1) e. Der Satz regelt als Ausnahmetatbestand die Haltung oder Entnahme von Tieren, die dem Anhang IV unterliegen.
Wenn die EUKom der Ansicht ist, dass ein Mitgliedsland der EU die Umsetzung in nationales Recht nicht regelkonform zur Richtlinie vollzogen hat, kann die EUKomm ein Vertragsverletzungsverfahren auf den Weg bringen. Das kann letztlich zu einer Entscheidung des EuGH führen. Wenn eine Person oder eine Organisation/Verband/Verein mit der Umsetzung in nationales Recht nicht zufrieden ist, kann sie sich bei der EUKomm beschweren. Die Beschwerde wird geprüft und nach Prüfung wird entschieden, ein langwieriges Verfahren.
Mit der 2020 erfolgten Novellierung des BNatschG und der Einführung des § 45a (Lex Wolf) hat der Bund eine Bestimmung geschaffen, welche im wesentlichen die rechtssichere Entnahme von Wölfen ermöglichen soll und dabei ausdrücklich die Mitwirkung von Jagdausübungsberechtigten einschließt. Damit ist als Konsequenz die Aufnahme des Wolfs in das Bundesjagdgesetz als Rahmengesetz vorgezeichnet. Dort stünde er dann neben vielen streng geschützten Arten ohne Jagdzeit ohne dabei Schaden zu nehmen. Der Schutzstatus des Wolfes ändert sich durch die Aufnahme in das Jagdrecht nicht!!! Solange der Wolf als streng geschützte Art für Deutschland im Anhang IV der FFH-RL steht, verbietet sich eine Bejagung nach herkömmlichen Vorstellungen von selbst. So steht der Wolf seit 2012 im sächsischen Landesjagdgesetz. Die niedersächsische Landesregierung hat diesen Schritt jetzt angekündigt, um einen besseren Rechtsrahmen im Wolfsmanagement zu bieten, soweit Jäger einzubeziehen sind.
Noch ungeklärt ist derzeit allerdings ob die Gesetzesänderung des BNatSchG von 2020 auch EU-konform ist.
Die Gesetzesänderung (BNatSchG) von 2020 ist schlecht gemacht weil sie zu viele unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, die erst durch Rechtsprechung juristisch festgezurrt werden müssen. Dieses wurde in einer Fachanhörung des Bundestags im Dezember 2019 durch externe juristische Sachverständige massiv kritisiert.
Zitat Sachverständiger Prof. Dr. Gellermann…
“Aber eins ist mal klar: was der Gesetzgeber konkret machen kann, ist vernünftige Gesetze und das, was wir heute gesehen haben, fällt nicht in diese Kategorie.“
Darum werden wohl auch noch langwierige Gerichtsverfahren folgen. Kläger sind i.d.R. div. NGO’s , deren Vertreter in Niedersachsen auch gerne gleichzeitig Wolfsberater sind. (Zwei Wolfsberater, die gleichzeitig als Mitglieder der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe agierten, sind gerade von Ehrenamt des Wolfsberaters entbunden worden.)
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3. In Niedersachsen ist am 20. November 2020 die Wolfsverordnung veröffentlicht worden. Diese dient auf Grundlage des 2020 geänderten BNatschG (§45a) der Umsetzung zur rechtssicheren Entnahme von Wölfen in Einzelfällen. Aber nochmals: aus der Wolfsverordnung ergibt sich keine Jagd im herkömmlichen Sinn. Die jüngst erfolgte Entnahme eines Wolfes und die durch Veröffentlichung in Medien bekannten anstehenden weiteren Entnahmen, unter anderem auch im Burgdorfer Holz, sind keine Jagd im rechtlichen Sinne sondern beruhen auf Einzelfallentscheidungen durch die zuständige Behörde.
Kritik:
Neben anderen Massnahmen im Bereich Schadensausgleich, Herdenschutz, Baurecht, ist das für viele Tierhalter ein Schritt in die richtige Richtung.
In der öffentlichen Debatte, im politischen Umfeld, wird die komplexe und nicht immer leicht zu durchschauende Rechtslage gern aufgenommen, um Stimmungsmache in der einen oder anderen Richtung zu betreiben.
Beispielsweise läßt sich das Bundesumweltministerium zitieren, dass es gegen die Aufnahme in Landesjagdgesetz sei. Das ist ausschließlich Ländersache und die Meinung des BUM ist unerheblich. Auch erklärt die Bundesumweltministerin, Frau Schulze, dass man Wölfe nicht „einfach so“ abschießen kann. Auch so eine Aussage ist reine Polemik. Der Wolf in Löningen ist ja nicht „einfach so“ abgeschossen worden sondern es gab eine gründliche Prüfung und eine Einzelfallentscheidung. Aber Frau Schulze hat sich mal wieder zum Thema geäußert.
Da kündigt der Nabu Beschwerde bei der EU Kommission gegen die Nds. Wolfsverordnung an.
Die Grünen im Nds. Landtag kündigen das Prüfen einer Klage gegen das Umweltministerium an weil es zu den aktuell gem. Wolfsverordnung verfügten Einzelabschüssen keine Details veröffentlicht.
Prüfen einer Klage ist natürlich ein scharfes juristisches Schwert, ebenso wie eine Beschwerde bei der EU Kommission ( Achtung Ironie).
Insofern bewegt sich Niedersachsen in Trippelschritten hin zu einem Wolfsmanagement, das in anderen Mitgliedsländern der EU wie Frankreich, Schweden oder den baltischen Ländern längst praktiziert wird azch wenn Wölfe den selben Schutzstatus haben wie in D. Für die bedingungslosen Pro-Wolf-Organisationen wird es zunehmend schwerer, ihren emotionalisierten Mitgliedern ein Einschwenken auf diesen Weg klar zu machen. Aber da müssen sie durch.
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3. Landesjagdgesetz
Weiterhin will Niedersachsen Wölfe ins Landesjagdgesetz übernehmen. Das wurde am 18.2.21 auf den parlamentarischen Weg gebracht.
Zitat UM Nds: „Das Umweltministerium verspricht sich von der Aufnahme in das Jagdrecht eine Versachlichung im Umgang mit der Entnahme von Wölfen. Im Übrigen bietet das Jagdrecht für den Abschuss und das Fangen einzelner schadensverursachender Wölfe ein bestehendes und funktionierendes Regelwerk.“
Wie bereits weiter oben vermerkt, ändert sich durch die Aufnahme ins jagdgesetz nichts Punkt der Schutzstatus ist nach wie vor der selbe. Insofern ist die Aufnahme ins Landesjagdgesetz eine politische Entscheidung, die einen Vorgriff auf ein notwendiges Bestandsmanagement darstellt.
Zur weiteren Entwicklung: es wird ein Wolfsmanagementplan derzeit im UM erarbeitet. Da kommt es wieder sehr darauf an, wer daran mit arbeitet. Wenn es wieder die Leute vom NABU sind, wird nicht viel bei rauskommen. Die sind allerdings gerade dabei sich die Sympathien der Politik zu verscherzen. Das wird allerdings keine dauerhafte Verstimmung bringen weil der NABU einfach mit seinen über 500.000 Mitgliedern eine Organisationsgröße hat, die ein Politiker, ein Minister, nicht übersehen kann. Trotzdem kann er natürlich dagegenhalten.
Das ist der aktuelle Stand der Politik und der Gesetzeslage.
Christian Schröder, 21.5.21
vom Hegering Isernhagen. Ich bin dort Obmann für Öffentlichkeitsarbeit.
Wmh