Einige Jahre nach der ersten Ankündigung, hat das Niedersächsische Landwirtschaftsministerium nunmehr die Überarbeitung der Jagdzeitenverordnung abgeschlossen und sie wurde am vergangenen Samstag (23.01.2021) im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlicht. Bei der Landesjägerschaft Niedersachsen e.V. (LJN) und dem Zentralverband der Jagdgenossenschaften und Eigenjagden in Niedersachsen e.V. (ZJEN) stoßen insbesondere die nicht geänderten ganzjährigen Schonzeiten bei Saat- und Blässgans auf heftige Kritik:
„Absolut nicht nachvollziehbar – weder wildbiologisch noch populationsökologisch. Beide Arten befinden sich in einem günstigen Erhaltungszustand mit stabilen bzw. anwachsenden Besätzen. Wir werden daher unseren Mitgliedern, die ihre Normenkontrollanträge in Bezug auf nordische Gänsearten ruhend gestellt hatten empfehlen, diese wieder zu reaktivieren. Leider lässt uns die Landesregierung keine andere Wahl“, so Helmut Dammann-Tamke, Präsident der Landesjägerschaft Niedersachsen e.V. Gegen die Jagdzeitenverordnung aus dem Jahr 2014 sind nach deren Inkrafttreten einige Normenkontrollanträge aus den Reihen der Mitglieder der beiden Verbände beim OVG Lüneburg anhängig. Im Vertrauen auf die Ankündigung der neuen Landesregierung nach dem Regierungswechsel im Jahr 2017, einen außergerichtlichen Weg finden zu wollen, waren diese zunächst ruhend gestellt worden.
Besonders irritierend ist das Vorgehen im Fall der Blässgans: Sowohl die Fachebene des Landwirtschaftsministeriums als auch die des Umweltministeriums, hatten eine Jagdzeit für Blässgänse außerhalb der Vogelschutzgebiete ursprünglich vorgesehen und als abgestimmten und gegengezeichneten Entwurf in die Verbändeanhörung gegeben. Ausweißlich einer Anhörung im Landwirtschaftsausschuss des Nds. Landtags, erklärte das Fachreferat des Niedersächsischen Umweltministeriums noch Anfang September, dass die Blässgans sich in einem guten Erhaltungszustand befinde, es zwar eine Jagdzeit in den für sie ausgewiesenen Vogelschutzgebieten nicht geben wird, aber die Schäden außerhalb dieser Gebiete in Grenzen gehalten werden müssten: „Deshalb wird es die Jagd auf Blässgänse außerhalb dieser Gebiete geben“, heißt es in dem entsprechenden Protokoll.
Warum seitens des Niedersächsischen Umweltministeriums die Mitzeichnung nun zurückgezogen wurde und das Landwirtschaftsministerium nicht mit Nachdruck auf seinem eigenen Vorschlag besteht, bleibt offen. „Höchst undemokratisch und ein Schlag ins Gesicht für Jäger und Grundeigentümer – anders kann man dieses Vorgehen nicht bezeichnen“, so Dammann-Tamke und ZJEN-Präsident Ehlen unisono zur abrupten Kehrtwende der beiden Ministerien.
Die Nichtgestattung einer Jagdzeit auf Saat- und Blässgänse entbehrten nicht nur jeder fachlichen Grundlage, sie stellten darüber hinaus massive Eingriffe in das Jagdausübungsrecht und damit Eingriffe in das Eigentumsrecht dar.
„Die Glaubwürdigkeit der Ministerien hat damit nachhaltig gelitten. Während Jäger und Grundbesitzer ihr Engagement bei der Wildschadensverhütung, Seuchenbekämpfung, Nutriabejagung und im Artenschutz nie in Frage gestellt haben, nimmt die Politik das Jagdrecht als verbrieftes Eigentumsrecht offensichtlich nicht mehr wahr“, so Ehlen. Dies ist verfassungsrechtlich geschützt – nicht die Jagdausübung muss begründet werden, sondern deren Einschränkung. Nun wird sich das OVG Lüneburg sich mit diesen Fragen befassen müssen.
Auch die Regelungen zur Bejagung der Nonnengans kritisieren beide Verbände: „Diese Regelung ist so bürokratisch und umständlich, dass sie sich in der Praxis als wenig praktikabel erweisen wird. Gerade die Population der Nonnengänse ist aber stark im Wachstum begriffen – von den Schäden auf landwirtschaftlichen Kulturen ganz zu schweigen“, so die beiden Verbändevertreter abschließend.
Überblick Änderungen der Jagdzeiten bei den einzelnen Wildarten (Stand Januar 2021)
Enten:
Die niedersächsische Sonderregelung für die jagdlich bedeutsamen Entenarten Stockente, Krickente und Pfeifente ist entfallen und die Rückkehr zu den Regelungen der Verordnung über die Jagdzeiten vom 2. April 1977 (BGBl. I S. 531), die zuletzt durch Artikel 2 der Verordnung vom 7. März 2018 (BGBl. I S. 226) geändert worden ist, ist zu begrüßen. Für die drei Entenarten gelten nunmehr wieder die Jagdzeiten nach BJagdG. Auch die Einschränkungen der Bejagung in Vogelschutzgebieten ist bei diesen Arten nun entfallen.
Gleiches gilt für die Silbermöwe: die Einschränkung der Bejagung in Vogelschutzgebieten ist entfallen.
Gänse:
Änderungen grundsätzlicher Art hat es durch die Streichung einiger Vogelschutzgebiete aus der Anlage zur Jagdzeitenverordnung gegeben. Diese beziehen sich in der Folge u.a. sowohl auf Grau- und Kanadagans.
Die Vorverlegung der Jagdzeit von Grau-, Kanada- und Nilgans auf den 16. Juli ist zu begrüßen, da sie den geänderten klimatischen Bedingungen und der damit verbundenen geänderten Bewirtschaftungsform Rechnung trägt (frühere Ernte landwirtschaftlich genutzter Flächen) und gleichzeitig die sehr effektive Lockjagd auf bereits abgeernteten landwirtschaftlichen Flächen sichert.
Aufgrund des günstigen Erhaltungszustandes der Nonnenganspopulation, der steigenden Anzahl von Brutpaaren in Niedersachsen und der stetig anwachsenden Schäden auf landwirtschaftlichen Flächen durch diese Art, ist die Einführung eines Managementansatzes grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings halten wir die Regelung mit einer Ausnahmezulassung nach § 45 Abs.7 Satz 1 Nr.1 BNatSchG in Kombination mit einer von der Jagdbehörde festgelegten Anzahl von Abschüssen bzw. zur Schadensabwehr bei einer durch einen anerkannten Sachverständigen festgestellten Notwendigkeit, für zeit- und kostenintensiv, nicht zielgerichtet und somit in der Konsequenz praxisfern.
Absolut nicht nachvollziehbar – weder wildbiologisch noch populationsökologisch ist die nicht erteilte Jagdzeit auf Saat- und Blässgans. Beide Arten befinden sich in einem günstigen Erhaltungszustand mit stabilen bzw. anwachsenden Besätzen. Wir werden daher unseren Mitgliedern, die ihre Normenkontrollanträge in Bezug auf nordische Gänsearten ruhend gestellt hatten empfehlen, diese wieder zu reaktivieren
Die Nilgans hat eine Jagdzeit vom 16. Juli – 15. Januar – die Einschränkungen der Bejagung in Vogelschutzgebieten ist bei dieser Art nun entfallen.
Die Streichung einiger Vogelschutzgebiete aus der Anlage zur Jagdzeitenverordnung hat auch Auswirkungen für die Bejagung der Höckerschwäne.
Die Jagdzeit von Stein- und Baummarder ist um einen Monat vorgezogen worden, dies ist zu begrüßen.
Schalenwild:
Vor dem Hintergrund des Klimawandels und der damit verbundenen Verschiebung der Vegetationsperiode kann die Vorverlegung der Jagdzeit für Schalenwild der Jugendklasse und Rehböcke sinnvoll sein. Allerdings gilt es an dieser Stelle zu bedenken, dass, die Jahresperiodik der Wildwiederkäuer im Gegensatz zu Pflanzen, in erster Linie über das Hypophysen-System (Hirnanhangdru?se), also die Tageslichtlänge gesteuert wird. Daher reagieren Tiere ungleich Pflanzen nicht auf die wärmere Temperatur im Frühjahr, sondern auf die sich verändernde Tageslänge. Aus wissenschaftlicher Sicht und unter Tierschutzaspekten kommt deshalb eine Vorverlegung der Jagdzeit in den April erst infrage, wenn alle anderen Maßnahmen ausgeschöpft sind, da sich die Tiere trotz höherer Temperatur immer noch im „Wintermodus“ befinden, der für sie deutliche Einschränken zur Folge hat (siehe unten).
Das Wild stellt im Winter seinen gesamten Organismus um. Die Folge ist eine deutlich verringerte Aktivität, ein gesteigertes Ruhebedürfnis und die deutlich eingeschränkte Fluchtfähigkeit. Wer in dieser „Ruhezeit“ Schalenwild beunruhigt, provoziert einen hohen Energieverbrauch und geht in der Folge das Risiko hoher Verbissschäden ein. Die Landesjägerschaft Niedersachsen hatte sich deshalb für eine Verkürzung der Jagdzeit aller Schalenwildarten, außer Schwarzwild, im Januar ausgesprochen – dem wurde seitens des Verordnungsgebers leider nicht entsprochen.
Zur Bejagung von Schwarzwild wurden im Rahmen der Verordnung weitere Änderungen vorgenommen:
§ 1 wird wie folgt geändert:
a) Absatz 1 erhält folgende Fassung:
„(1) 1Schwarzwild darf
1. in der Falle entgegen § 19 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b des Bundesjagdgesetzes unter Verwendung von Büchsenpatronen mit einem Kaliber ab 5,6 mm und einer Mündungsenergie von mindestens 400 Joule durch Kopfschuss und
2. entgegen § 19 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a des Bundesjagdgesetzes unter Verwendung
a) von künstlichen Lichtquellen und von Vorrichtungen zum Anstrahlen oder Beleuchten des Zieles, die jeweils nicht für Schusswaffen bestimmt sind, sowie
b) von Nachtsichtvorsätzen und Nachtsichtaufsätzen für Zielhilfsmittel (zum Beispiel Zielfernrohre), die einen Bildwandler oder eine elektronische Verstärkung besitzen und für Schusswaffen bestimmt sind, erlegt werden.
2Waffenrechtliche Vorschriften bleiben unberührt.“
Die neuen Jagdzeiten Stand Januar 2021 (konsolidierte Fassung)