Vortrag: „Bleifrei wird kommen!“

Die Resonanz war schon beeindruckend. Hegeringvorträge sind keine Massenveranstaltungen. Mit gut 15 Zuhörern hatten wir gerechnet – das entsprach den Voranmeldungen und auch unseren Erfahrungen mit Vorträgen in vergangenen Jahren. Es kamen aber mehr, und als die Zahl zwanzig überschritten war, mussten wir in einen größeren Raum wechseln. Zum Schluss waren es 26 Zuhörer, die das Thema und der Referent nach Immensen gelockt hatten.

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Der Referent des Abends, Dr. Peter Mank

Dr. Peter Mank, heutiger Geschäftsführer der Firma Brenneke und Urenkel des Firmengründers Wilhelm Brenneke, bot dann einen Vortrag, der das Kommen lohnte. Schon ein kurzer Einblick in die Firmengeschichte zeigte dem Zuhörer Interessantes: von der Pionierleistung Wilhelm Brennekes bei der Entwicklung moderner jagdlicher Büchsengeschosse (die klassischen TIG und TUG) bis zum geplanten Umzug der Firma nach Oldhorst, von der Auseinandersetzung mit der Firma RWS infolge deren Kündigung des Lizenzvertrages mit Brenneke und der Weiterproduktion ähnlicher Büchsengeschosse bis hin zu Brennekes heutigen Flintenlaufgeschossen: der überraschenden Angebotspalette der Firma von immerhin sieben (!) unterschiedlichen Grundtypen.

Zum Thema bleifreie Munition selbst stellte Mank einleitend fest, dass es viel Unsicherheit am Markt gebe. Ablenkverhalten, Tötungswirkung, Lebensmittelsicherheit und Beschussgesetz seien die wesentlichen Diskussionspunkte. Nach einem kurzen Abriss der Diskussion um die Einführung von Bleifrei kam Mank zu einer Prognose, die sich durch den weiteren Verlauf der Veranstaltung hindurchzog: Die Verwendung von bleifreier Munition, so der Referent, werde vom Gesetzgeber mit einer Übergangsfrist von 2-3 Jahren verlangt werden.

Elf Bundesländer, darunter Niedersachsen, wollten Bleifrei einführen und seien zum Teil schon vorgeprescht, obwohl die Länder eigentlich keine Alleingänge machen dürften. Bundesweit sei keine Einführung vorgesehen, Bleifrei sei aber nicht mehr abzuwenden. Die Aussage steht im Gegensatz zu der noch offiziell verkündeten Version, dass der Bund im Moment noch nicht auf Blei verzichten will und die Industrie gefordert ist, verbesserte, nicht emittierende Modelle zu entwickeln.

Auf Nachfrage meinte Dr. Mank, hier gehe es beim Bund mehr um Verzögerung eines Trends, der nicht mehr aufzuhalten sei. Öffentlichkeitsarbeit durch den DJV finde praktisch nicht statt, die Schützen und Jäger seien für die politische Durchsetzung ihrer Forderungen zu schwach. Im Übrigen sei es vernünftig, dem Thema „Bleifreie Munition“ offen gegenüberzustehen. Man solle eine klare Linie fahren. Eindeutigkeit sei bei diesem Thema gerade für die Hersteller wichtig, um entsprechend investieren zu können.

Was ist nun bei der Verwendung bleifreier Munition zu beachten? Hier einige wesentliche Punkte des Vortrags:

  • geringeres spezifisches Gewicht des Materials, daher Einsatz bis 150 Meter (Standardkaliber), bei neueren Munitionstypen auch bis 200 Meter
  • auf CIP-Zeichen für geprüfte Sicherheit achten, bei einigen Kleinstherstellern nicht vorhanden (Mank: „Vertrauen Sie bekannten Herstellern!“). Hintergrund ist das Phänomen, dass die Ersatzmaterialien zu hartnäckigeren Ablagerungen im Lauf führen können als Blei das tut, mit Auswirkungen auf den Gasdruck.
  • bewusste Auseinandersetzung mit der Frage, was man von seinem Geschoss erwartet; die eierlegende Wollmilchsau gibt es bei bleifreien noch weniger als bei Bleigeschossen.
  • Abpraller-Diskussion: Immer auf Kugelfang und Hintergelände achten (das gilt für bleihaltig und bleifrei)!
  • Regelmäßiges Putzen ist unverzichtbar, bei bleifreier Munition aufgrund der Materialeigenschaften noch mehr als bei Bleigeschossen.

Sind bleifreie Geschosse den Bleigeschossen in ihrer Wirkung unterlegen? Diese Befürchtung und Ansicht herrscht ja in weiten Kreisen der Jägerschaft.

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Strecke bei Auslandsjagd, erlegt mit bleifreier Munition; Dr. Mank und Jagdfreund

Mank sieht das Thema sehr differenziert: „Bleifrei ist nicht bleifrei!“ Es gebe gewaltige Unterschiede in der Tötungswirkung, Pauschalurteile sollten nicht abgegeben werden. Anders als bei Schrot – hier gebe es „keine echte Alternative zum Blei“ – komme es beim Büchsenschuss immer auf die individuelle Situation an – auf Kaliber, Geschosskonstruktion, Wildart, Entfernung. Bis 100 Meter würden die leichteren bleifreien Geschosse die gleiche Leistung erbringen, es komme immer auf die Energie an, die tatsächlich im Wildkörper abgegeben wird. Fazit zu bleifreier Büchsenmunition: „Sehen Sie darin nicht eine Beeinträchtigung, nehmen Sie es als Herausforderung!“

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Bleifreie Brenneke-Munition

Die Firma Brenneke folgt bei ihrem eigenen Programm zu bleifreier Munition der Tradition des Firmengründers. Im Gegensatz zu amerikanischen Anbietern, die auf Deformationsgeschosse setzen, gibt es bei Brenneke als bleifreie Munition ausschließlich Teilzerlegungsgeschosse: TIG nature und TUG nature entsprechen im Aufbau  den bekannten Klassikern, nur dass als Material statt des toxischen Bleis lebensmittelechtes Zinn verwendet ist. Der vordere Teil splittert, das Geschoss spricht damit schnell an, wohingegen der hintere Teil als Restkörper erhalten bleibt. Bei dem neueren TAG (Torpedo Alternativ-Geschoss) bilden sich gezielt drei große Splitter, die ebenfalls für schnelles Ansprechen sorgen. Das Geschoss ist aus Kupfer.

Die Entscheidung für teilzerlegende Geschosse entspricht für den Brenneke-Geschäftsführer den deutschen jagdlichen Verhältnissen. 85 Prozent des erlegten Wildes seien hierzulande Rehwild und schwache Frischlinge mit wenig Körpermasse. Kupfer sei ein zu hartes Material, das zu spät anspreche und wenig Augenblickswirkung erbringe. Für die deutlich stärkeren amerikanischen Wildarten dagegen seien deformierende Kupfergeschosse durchaus sinnvoll.

Jetzt einen Vorrat der verbleiten Lieblingsmunition für die nächsten Jahrzehnte zu horten, könnte sich nicht mehr lohnen. Wenn die Prognose des Referenten zutrifft, werden wir uns bald intensiv und nachhaltig mit dem Thema „Bleifreie Geschosse“ auseinandersetzen müssen. Dr. Mank: „In zehn Jahren wird keiner mehr von Blei reden!“

Text: Eckhard Gieseler